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Entsetzt und fassungslos blicken Londoner auf ihre Stadt, ganze Häuserzeilen abgefackelt, ein Möbelgeschäft – seit fünf Generationen in der selben Familie – in Schutt und Asche. Seit Samstagnacht werden Geschäfte von Ealing im Westen bis Leytonstone im Osten, von Enfield im Norden bis Croydon im Süden geplündert und zerstört von hunderten von Jugendlichen. Der jüngste Festgenommene ganze elf Jahre alt.
Über die Jahrzehnte hat es immer wieder innerstädtische Krawalle gegeben: 1980 im hauptsächlich von Schwarzen bewohnten Stadtteil St Pauls in Bristol. 1981 im Londoner Stadtteil Brixton. Dabei wurden 150 Häuser abgefackelt oder beschädigt. Ebenfalls 1981 in Liverpool. Diese Krawalle dauerten neun Tage, 500 Personen wurden verhaftet, 468 Polizisten verletzt. 1985 in Handsworth und im Broadwater Farm im Londoner Stadtteil Tottenham. Damals wurde ein Polizist zu Tode gehackt.
In Tottenham hatten auch diesmal die Krawalle angefangen, die sich über die Tage in typischer Nachahmmanier über mehrere Städte ausdehnten. Auch diesmal gab es einen Auslöser. Drei Tage zuvor war ein junger Schwarzer von der Polizei erschossen worden, seine Familie hatte daraufhin eine friedliche Mahnwache abgehalten, die – laut Polizeiberichten – von anderen Elementen umfunktioniert wurde.Nicht nur London, sondern das ganze Land stellt sich die Frage: warum? Die Antwort liegt auf der Hand, wenngleich sie auch nicht das kriminelle Verhalten entschuldigen kann. Schon lange bezeichnet man in England einen Teil der Bevölkerung als „disenfranchised“, also „sozial entrechtet“. Der Grund sind wachsende Arbeitslosigkeit und die damit einhergehende Armut. Diese Entwicklung hat durch einschneidende Sparmaßnahmen im Sozialhaushalt extrem zugenommen und betrifft vor allem schwarze Mitbürger.
Wir von e-guideLondon wollen nicht mit Patentlösungen aufwarten, die haben wir auch nicht. Es scheint uns aber wichtig zu konstatieren, dass es beinahe schon zu spät ist. Es gibt Familien, in denen nun bereits die dritte Generation arbeitslos ist. Vielleicht müssen sich alle Bürger einmal die Frage stellen: gibt der Staat sein Geld vielleicht für die falschen Dinge aus? Ignoriert er Prioritäten? Milliarden stehen für Kriege zur Verfügung, aber es ist kein Geld da für die sozialen Probleme im eigenen Land. Großbritannien ist ein herrliches Land, mit wunderbaren Menschen, es ist aber auch ein Land der extremen sozialen Ungerechtigkeit. Wir hoffen, dass wieder Ruhe einkehrt, wir hoffen aber gleichzeitig, dass die sozialen Probleme nicht wieder einfach unter den Tisch gefegt werden. Unser Premierminister ist Multimillionär, vielleicht braucht er Berater, die ihm klarmachen, was wirklich im Alltag der „Entrechteten“ vor sich geht.
Vorerst aber haben die Londoner Solidarität bewiesen wie schon lange nicht mehr. Mit Besen und Eimern bewaffnet sind 38’530 Bürger am Dienstag auf die Straße gegangen, um Scherben und Schutt wegzufegen – aber auch um den Randalieren zu zeigen, dass die Straßen den friedlichen Bürgerinnen und Bürgern gehören, ob weiß oder schwarz, ob arm oder reich.